13.04.2024, 19:30
"Mit irgendwas werden wir anstoßen"
Emily Bölk legte vor dem Hotel ein kleines Tänzchen hin, dann duschte sie ihre Teamkolleginnen mit reichlich Sekt: Durch Sloweniens Sieg gegen Paraguay stand am Samstagabend die erste deutsche Teilnahme an Sommerspielen seit 16 Jahren fest. "Es war eine geile Reise. Ihr habt das großartig gemacht", so Bundestrainer Markus Gaugisch in seiner Ansprache.
Deutschlands Handballerinnen waren bereits wieder im Ulmer Teamquartier angekommen, als sich ihr großer Olympia-Traum hochoffiziell erfüllte. "Jetzt zu wissen, dass wir einfach nach Paris fahren, ist unglaublich", sagte Kapitänin Bölk. Bundestrainer Markus Gaugisch sagte bei einer Ansprache an das Team voller Stolz und Erleichterung: "Jetzt haben wir das Ticket in der Tasche. Ihr könnt mega stolz sein auf das, was ihr da gemacht habt."
Zweieinhalb Stunden zuvor war Bölk im Anschluss an das 28:24 (11:8) gegen Montenegro bereits ihrer Mutter Andrea, Weltmeisterin von 1993, in die Arme gefallen. Die einmal mehr überragende Torfrau Katharina Filter kündigte an: "Mit irgendwas werden wir anstoßen - auch wenn es nur eine Apfelschorle ist."
Auf den Tribünen wurden die Heldinnen beklatscht, auch wenn unmittelbar nach dem Ende des deutschen Spiels noch rechnerische Restzweifel bestanden hatten. "Ich bin einfach nur froh", sagte Gaugisch. Bölk sprach von einer "Belohnung für jeden einzelnen, für den Verband, für das Trainerteam, für uns als Spielerinnen - es ist für uns alle ein Traum, der in Erfüllung geht. Ich bin richtig happy."
Beste deutsche Werferin vor 4269 Zuschauern in Neu-Ulm war Rückraumspielerin Julia Maidhof, die in ihrem 50. Länderspiel neun Tore erzielte. "Wir haben von der ersten Minute an keinen Zweifel daran gelassen, dass wir es unbedingt wollen, und gezeigt, dass wir die beste Mannschaft bei diesem Turnier sind", resümierte Co-Kapitänin Alina Grijseels, um deren Mitwirken nach einer Verletzung bei der EM-Quali eine Woche zuvor lange gezittert worden war.
Alina Grijseels hatte am Vortag ihren 28. Geburtstag gefeiert. "Das ist das beste und größte Geschenk, das ich in meinem Leben bekommen habe", strahlte die Rückraumspielerin. Die Party von Geburtstag und Olympia-Ticket konnte nach dem Erfolg von Slowenien gegen Paraguay starten - wenn auch mit ganz leicht angezogener Handbremse. "Es ist keine Frage, dass wir die Freude rauslassen werden. Wir wissen, dass morgen noch ein Spiel wartet. Durch die frühe Anwurfzeit haben wir noch eine Menge Zeit, danach ausgiebig zu feiern", sagte Grijseels.
Gegen Montenegro hatte sich Deutschland auf einen aggressiven und teilweise "dreckig" spielenden Gegner eingestellt. Dieses erwartet intensive Spiel sahen die 4269 Zuschauer in der ratiopharm Arena sowie jene in der ARD, in deren Programm erstmals seit der bislang letzten Olympia-Teilnahme 2008 ein Livespiel einer weiblichen DHB-Auswahl übertragen wurde, schließlich von Beginn an.
Die Defensivreihen bestimmten die Partie, beide Teams packten hart zu. Auf deutscher Seite fand die bereits gegen Slowenien überragende Filter glänzend in die Partie, im Angriff gab es aber nur wenig Durchkommen. Nach zehn Minuten waren insgesamt erst fünf Treffer gefallen. "Das war nicht leicht", so Gaugisch. "Ich habe an die EM 2022 zurückgedacht vor 4.000 Zuschauern in Montengro. Heute hatten wir die Atmosphäre zu unseren Gunsten. Unsere Fans haben uns geholfen."
Dank Filter, die in der ersten Hälfte eine sensationelle Quote von 57 Prozent gehaltener Bälle vorweisen konnte, und der eingewechselten Alina Grijseels, die offensiv das Spiel zielgerichteter lenkte, kam Deutschland besser in das Spiel. Montenegro biss sich zunehmend die Zähne aus. Männer-Bundestrainer Alfred Gislason schwärmte beim Pokal-Final4 in Köln von einer "überragenden" Leistung: "Sie spielen sehr, sehr gut. Und das gegen Montenegro, die eigentlich eine gute Mannschaft sind."
Und Deutschland hielt Kurs, siegte mit 28:24 - und jubelte dann endgültig als der Kantersieg der Slowenien die letzten theoretischen Zweifel getilgt hatte. "Gefeiert wird morgen", bremste Markus Gaugisch mit Blick auf das abschließende Spiel gegen Paraguay allerdings ein wenig. "Wir haben eine Verpflichtung gegenüber den Zuschauern, die morgen kommen und eine gegenüber uns. Wir müssen allem vorbeugen, was passieren kann. Heute sind wir zufrieden, morgen kann es meinetwegen knallen."
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sid, fcb, cie