29.01.2024, 14:02
Zweite Welle - Deine Handball-Kolumne
Der Vertrag von Alfred Gislason endet im Sommer dieses Jahres. Und genau diesen Vertrag sollte der DHB jetzt schnellstens verlängern und den Bundestrainer auf der deutschen Bank in Manndeckung nehmen - mindestens bis zur Heim-WM in drei Jahren, meint Handball-Autor Daniel Duhr in seiner Kolumne.
Sie waren angetreten, das Halbfinale zu erreichen. Das haben sie. Da es aber für Platz drei nicht gereicht hat, müssen die Schüler von Handballlehrer Gislason nachsitzen und im März ein Qualifikations-Turnier spielen, bevor sie dann hoffentlich zu den Olympischen Spielen nach Paris dürfen.
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Die verpasste Bronze-Medaille war gleichzeitig auch symptomatisch für die Baustellen, die Erfolgs-Architekt Alfred Gislason noch wird beheben lassen müssen. Genügend Handwerker hat er entgegen dem Bundestrend schon mal.
Nur vier Siege in neun EM-Spielen sind - rein an den Ergebnissen gemessen - für eine deutsche Handball-Nationalmannschaft ein Zwischenzeugnis, das die Versetzung gefährdet.
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Die Art und Weise, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind, machen es nicht viel besser - man denke nur an die besorgniserregenden Auftritte gegen Österreich und Kroatien. In diesem Turnier durfte man stets hoffen, einen der ganz Großen schlagen zu können.
Man musste gleichzeitig aber auch immer fürchten, gegen einen der überhaupt nicht Großen zu verlieren. Es fehlt an Konstanz, vor allem im Angriff, wo das deutsche Spiel noch viel zu abhängig von Spielmacher Juri Knorr ist.
Andererseits hat dieselbe Mannschaft auch bewiesen, dass sie auf ähnlich hohem Niveau wie die Franzosen spielen kann. Dass Knorr unter Gislason die Rolle des freigeistigen Spielmachers mit gleichermaßen genialen wie grenzwertigen Aktionen angenommen hat und in den nächsten Jahren immer besser wird ausfüllen können.
David Späth ist zu einem tadellosen zweiten Mann geworden, der Handball-Deutschland die Sorge nimmt, dass auch ein Andreas Wolff in drei, zehn oder dreizehn Jahren mal ans Aufhören denken könnte. Die junge Garde um Julian Köster und Sebastian Heymann, die gewitzte und die gewaltige Interpretation auf den Rückraumpositionen, hat bewiesen, dass mit ihnen, aber auch mit Lichtlein und Fischer enorme Qualität nachkommt.
Der Kampfgeist und die Moral der Mannschaft stehen aktuell sowieso außer Frage. Auch das ist natürlich mit der Verdienst von Alfred Gislason, dem ruhigen, erfahrenen, souveränen Bundestrainer, über den die Spieler bislang nur lobende Worte verlieren.
Für viele Fans war die Heim-EM eine einzige Handball-Party, "alles gut". Dass die Zuschauer das so empfunden haben, ist nach der wieder mal fantastischen Handball-Atmosphäre in Deutschland absolut nachvollziehbar.
Nur einer darf die EM nicht verklären, sondern muss genau jetzt trotz der lobenden Worte die noch vorhandenen Baustellen analysieren, aufarbeiten und abstellen: der Bundestrainer. Und das wird er auch.
Denn es darf für den größten Handballverband der Welt mit der stärksten Liga der Welt nicht die Ausnahme bleiben, eine Halbzeit mit Dänemark mithalten zu können. Es muss die Regel werden, mit den Weltklasse-Teams mithalten und sie auch schlagen zu können. Das ist Gislasons klare, ambitionierte aber auch erfüllbare Aufgabe.
Wenn der 64-Jährige es schafft, die junge Mannschaft um Kapitän Johannes Golla bis 2027 so weiterzuentwickeln, dass sie konstant auf dem Level Frankreichs, Dänemarks oder zumindest Schwedens spielt, ist ein erneuter Einzug ins Halbfinale programmiert.
Und den Rest erledigt dann zur Not auch das Kölner Publikum, bei dem der Bundestrainer enorme Sympathiewerte genießt. Auch das ist wichtig, damit die sich aufbauende Euphoriewelle im "Jahrzehnt des Handballs" nicht zu früh bricht.
In Zweite Welle schreibt Bestseller-Autor Daniel Duhr regelmäßig über aktuelle Handballthemen auf und neben der Platte. Und lädt Euch damit zur Diskussion ein. Welchen Standpunkt vertretet Ihr? Wir freuen uns auf Eure Meinungen!
Daniel Duhr ist Autor der Reihe "Handballhölle", die allesamt zu Bestsellern geworden sind. Ebenso wie das kurz vor der EM erschienene Buch "Bock auf Handball", in dem Persönlichkeiten aus dem Handball wie Silvio Heinevetter oder Bob Hanning interessante Geschichten aus dem Handball erzählen und Bennet Wiegert beispielsweise über eine Auswärtstour nach Sibirien berichtet.
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Daniel Duhr