09.03.2024, 13:30
"Nicht einen Schlagwurf, nicht einen Wackler gesehen"
"Möglichkeiten eröffnen, so viele wie möglich" antwortete Nicolej Krickau auf die Frage von Anett Sattler, was das Wichtigste im Jugend-Handball sei. In der eigentlich am Ende des Formats "Hand auf Harz" vorgesehenen Schnellrunde mit sieben abschließenden Fragen, entsponn sich dann aber eine ausführliche Antwort, auch weil dem Trainer der SG Flensburg-Handewitt das Thema offensichtlich am Herzen liegt.
Nicolej Krickau hat eine besondere Verbindung zum Jugend-Handball. "Ich bin der klassische Typ aus der Handball-Familie, der unter Handballern groß geworden und schon von seinem Opa trainiert worden ist. Und dann hab ich irgendwann selbst als Trainer angefangen als ich zehn war", erzählt Nicolej Krickau vor gut einem Jahr in unserem Print-Magazin Bock auf Handball. Im Alter von zehn Jahren fängt Nicolej bereits mit dem Training von Sieben- und Achtjährigen an.
Als ihn dann eine hartnäckige Verletzung als Spieler ausbremste, konzentrierte er sich auf seine Laufbahn als Coach im Handball. Er begann in der Jugendabteilung von Skanderborg, wo auch seine Großeltern, seine Eltern und sein Bruder in verschiedenen Funktionen aktiv sind. Seine Arbeit mit den jungen Handballern begeistert die Verantwortlichen so sehr, dass sie ihn schon im Alter von 26 Jahren zum Cheftrainer des Erstligisten befördern.
Vier Jahre lang hält Nicolej Krickau mit dem Club die Klasse. Dann wechselt er nach Gudme. Als er 2017 bei GOG loslegte, ist er zumindest im internationalen Handball noch eine kleine Nummer. Er ist da gerade mal 30 Jahre alt, hat aber zumindest als Trainer schon unfassbar viel Erfahrung. Und im vergangenen Sommer folgte dann der Wechsel zur SG Flensburg-Handewitt. Aber auch dort blickt er mit viel Interesse auf die Nachwuchsarbeit, ist bei Spielen vor Ort.
"Möglichkeiten eröffnen, so viele wie möglich", war die kurze Antwort von Nicolej Krickau auf die Frage von Anett Sattler nach dem Wichtigsten im Jugend-Handball.
"Wir dürfen Spieler in den frühen Jahren, in der E- und D-Jugend, nicht in eine Box setzen. Wir müssen ihnen Möglichkeiten eröffnen, wir kennen ja auch ihre physische und die mentale Entwicklung noch überhaupt nicht. Wir müssen da auf Potenziale schauen, Möglichkeiten eröffnen", so der Däne.
"Ich habe schon viel Jugend-Handball in Deutschland gesehen und ich muss sagen, dass es eine Herausforderung für den deutschen Handball ist, dass die Regeln - und das ist gut - viel Intensität und viel Laufen in der offensiven Deckung fordern", berichtet Nicolej Krickau mit Blick auf die Vorgaben in den einzelnen Altersklassen, die beispielsweise bestimmte Deckungssysteme vorschreiben.
"Aber Kreativität ist eine Herausforderung im deutschen Jugend-Handball", sieht Nicolej Krickau auch Nachteile durch diese Vorgaben. "Ich hoffe, dass jeder Trainer es im Alltag, im Jugend-Training kreativer machen." Er betont noch einmal: "Wir müssen die Möglichkeiten für jeden Spieler eröffnen, so dass sie Interesse entwickeln mit der Zeit."
"Gefährlich. Ich habe den Fight zwischen Bob und Alfred verfolgt", lacht Nicolej Krickau auf die Nachfrage von Anett Sattler, ob die Kreativität auch bei der Handball-EM der große Unterschied zwischen Deutschland und Dänemark gewesen sei.
"Es ist schon das Bild, dass die dänischen Spieler vielleicht ein bisschen mehr Kreativität haben, aber ich finde, die hat auch Juri Knorr. Und, wenn sie mit Lichtlein und Uscins gespielt haben, war es super", lobte der Däne gerade auch die deutschen Nachwuchsakteure - mit 23 Jahren ist Juri Knorr der älteste in dem von Flensburger Trainer aufgezählten Trio.
"Wir haben die Spieler in Deutschland und ich hoffe, dass wir mit kleine Regeländerungen im Jugend-Handball in Deutschland mehr bekommen", so Nicolej Krickau. "Ich hoffe auch, dass ich vielleicht ein bisschen bei der Entwicklung helfen kann. Aber es ist schwer, kreative deutsche Spieler zu bekommen, wenn es fast bis zum 15. Jahr fast nur Lauf-Handball ist. Aber das Potenzial ist super groß."
"Ich weiß, dass es natürlich zu einfach zu sagen ist, dass sie einfach defensiver decken müssen", antwortete Nicolej Krickau auf die Nachfrage von Anett Sattler zu möglichen Änderungen. "Die offensive Abwehr, die man in der F-, E-, D-Jugend spielen muss, die ist aus meiner Sicht gut für die Intensität", so der Däne.
"Aber ich habe jetzt etwa zehn Spiele in der E- und D-Jugend gesehen und dabei nicht einen Schlagwurf, nicht einen Wackler, nicht einen Pass an den Kreis gesehen - weil es nur um das Freilaufen weg vom Gegner ging", schildert Nicolej Krickau seine Eindrücke vom deutschen Jugend-Handball.
"Du hast natürlich die Vorteile, dass Laufen ohne Ball und den Überblick und so weiter, aber die Nachteile sieht man beim Blick auf den modernen Handball", so Krickau: "Wenn man Gisli Kristjansson mit seinem Eins-gegen-Eins, die Kreativität von Omar (Ingi Magnusson, Anm.d.Red) mit dem Kreis und das trainierst Du in Deutschland überhaupt nicht bevor Du 15 Jahre alt bist. Zumindest nicht in den Spielen, ich hoffe im Training, aber nicht in den Spielen und das ist aus meiner Sicht nicht optimal."
Nicolej Krickau ist in der aktuellen Folge von "Hand aufs Harz" bei Anett Sattler im Podcast zu Gast. Der Teil über den Jugend-Handball startet bei 1:22 Stunden, zuvor spricht der Trainer der SG Flensburg-Handewitt unter anderem über seinen Weg aus Dänemark bis hin zu seinem Traumverein nach Flensburg, die ersten Monate im neuen Land mit neuer Sprache und die Unterschiede zwischen der dänischen Liga und der Handball Bundesliga.
cie